Die Macht des Gebetes (am Beispiel des 4. Khalifa)
An der Wirksamkeit des Gebets hat der Kalif keinen Zweifel. Seine Gebete waren schon erhört worden, als er noch ein Junge war. Sie wurden beantwortet im Erwachsenenalter und noch ausgeprägter, seit er Kalif geworden war. Dafür gebe es besondere Gründe, sagt er. Es sei dies kein besonderer Gunstbeweis Gottes für ihn als Mensch oder dafür, dass er vielleicht frommer sei als andere.
Ich habe es in aller Ruhe und über lange Zeit untersucht und meine Überzeugung ist, dass Gott es für die Sache des Kalifates als einer Institution tut. Er tut es so, dass der Menschen Glaube fest und unerschütterlich und ein leuchtendes Beispiel für die Menschheit bleiben kann. Derart werden Seine Zeichen andauern, wie Er es bestimmt hat.
Zum anderen glaube ich daran, dass die Beantwortung des Gebets sehr tief mit deiner Sorge und Hilfe für andere verbunden ist. Wenn du dich ausschließlich um dich selbst und deine Familie kümmerst, verlierst du etwas von der Kraft des Gebets, denn dem kann durchaus etwas Egoistisches anhaften. Aber wenn du dich Gott zuwendest und in aufrichtiger Weise um Seine besondere Gnade flehst, ist es eine andere Sache.
Wenn also deine Sorge um andere begrenzt ist, so ist es auch die Kraft deines Gebets. Wenn du jedoch in viel weiterem Umfang um Menschlichkeit bemüht bist, wenn du wirklich das Leiden anderer teilst, dann ruft dies eine ganz besondere Kraft in deinen Gebeten hervor. Gott erhört diese Gebete viel öfter als andere.
Wenn ich bewegt bin von den Leiden von Menschen in Afrika oder vielleicht durch die Verfolgung von Mitgliedern unserer Gemeinde, wenn ich mich selbst gelähmt finde angesichts des Leidens anderer, dann, zu bestimmten Zeiten, hört Gott mir zu. Ich spüre das. Dieses Gefühl für den Mitmenschen und die sich daraus ergebende Zuwendung ist eine Qualität, die in allen Männern und Frauen herausgebildet werden muss.
Der Kalif sagt, dass ihn bereits als Kind das Beten gelehrt wurde und dass das Gebet immer ein Teil seines Lebens gewesen war. Einer der schönsten und kraftvollsten Verse des Heiligen Korans waren für ihn die Worte „Betet zu Mir, Ich will euer Gebet erhören“.
Er bat seine Familie und Mitglieder der Gemeinde, für ihn zu beten und deren Gebete waren erfolgreich. Er bezog aus ihnen große Kraft. Wenn er sich seiner Kindheit erinnert, sagt er, dass er und seine Generation besonders vom Glück begünstigt gewesen wären, denn der Verheißene Messias hatte eine große Anzahl von im Gottesdienst erfahrenen Gefährten zurückgelassen.
Sie waren in ihrem Einfluss immens, denn wir fanden sie so ehrlich, so hingebungsvoll, so einfach und aufrichtig, so gelehrt und so bescheiden. Sie konnten einem Kinde und dessen Meinung wie Ihresgleichen zuhören und neben ihm im „Würde der Arbeit-Plan“ arbeiten, ohne im Mindesten das Gefühl zu vermitteln, dass es unter ihnen stehe.
Ihr Einfluss hatte einen starken geistigen Anteil. Diese Gefährten waren es, an die sich Mitglieder der Gemeinde mit der Bitte um ihre Gebete wandten, denn diese Männer waren lebende Vorbilder für die Verbindung mit Gott. “
Sie hatten mehr Offenbarungen von Gott erfahren als die Kalifen zu dieser Zeit oder seither, fügt er hinzu, aber sie gingen durch die Straßen Qadians als einfache Bürger und verdienten ihren Lebensunterhalt mit einfacher Arbeit.
Sie waren für jedermann erreichbar und wenn du sie batest, für dich zu beten, sagten sie am folgenden Tag vielleicht zu dir: „Ich betete so ergeben, dass Gott so freundlich war, mich wissen zu lassen, was geschehen wird.
Und es traf stets so ein, wie sie sagten. Daher lebten wir in einer Atmosphäre gelebter Erfahrung. Wir sahen die Realität der Wahrheit von Ahmadiyyat und waren täglich Zeugen ihrer Verbindung mit Gott. Es ist diese lebendige Wahrheit, die zu bewahren und zu teilen ich die Mitglieder der Gemeinde gebeten habe, ja sie überaus getreulich zu bewahren, um in der Lage zu sein, sie an die nächste Generation weiterzureichen. Denn der Koran sagt es und die Bibel ebenfalls, dass, als Gott den Menschen schuf, als Er ihn formte und modellierte, Er ihm nicht einfach nur das Leben schenkte. Gott hauchte ihm auch Seine Offenbarung ein. “
Die Vorteile des Gebetes seien kaum abzuschätzen, sagt der Kalif, aber grundsätzlich helfe es dabei, die Gemeinschaft mit Gott zu festigen. Und das Gebet fördere das Gute und treibe das Schlechte aus. Er zitiert Worte des Verheißenen Messias, der diejenigen mit Verachtung strafte, die die Vorbestimmung zum Vorwand dafür heranzogen, nun selber nicht mehr aktiv sein zu müssen. Für etwas zu beten oder nicht zu beten ist damit vergleichbar, im Falle von Krankheit eine Medizin entweder einzunehmen oder nicht.
Ob etwa irgendjemand glaubte, so fragte der Verheißene Messias, dass Gott eine bestimmte Medizin mit gewaltiger Wirkung bereitstellen würde, gleichzeitig aber das Gebet Seines Volkes ignoriere? Dies würde ja bedeuten, dass Gottes Wille sich wohl in einer Medizin erweisen könne, er andererseits aber nicht in der Lage sei, über das Gebet zu wirken. Und wieder zitiert er die Worte des Verheißenen Messias über die Annahme des Gebets. Obwohl Gott alle Gebete höre, müsse man sich dennoch um deren Annahme aktiv bemühen. Unterwerfung allein sei nicht genug. Rechtschaffenheit, Reinheit, Wahrhaftigkeit, absolute Gewissenhaftigkeit, Liebe und Aufmerksamkeit, dies alles sei vonnöten. Um diese Werte müsse der Mensch sich im Gebet bemühen, sagte er. Und natürlich könne das Gebet nicht gegen Gottes Plan für das Wohlergehen der betreffenden Person gerichtet sein, weder in dieser Welt noch in der nächsten.
Viele Menschen, so sagt der Kalif, wandten sich an ihn mit der Bitte, für sie zu beten. Viele von ihnen seien keine Ahmadis und kämen aus anderen Religionen und Kulturen. Manche seien Christen, andere Hindus, andere Sikhs.
Sie schreiben mir und bitten mich, für sie zu beten, weil sie sagen, dass sie Vertrauen in mein Gebet haben, sagt der Kalif. Viele schreiben mir später um mitzuteilen, dass meine Gebete erhört wurden. Aber oftmals müssen sie mir gar nicht schreiben – ich weiß in manchen Fällen augenblicklich, dass mein Gebet angenommen worden ist.
Wie geht das vor sich?
Was geschieht, ist von Fall zu Fall verschieden. Du spürst, dass dein Gebet erhört wurde, dann, wenn du es in so vielen Einzelheiten erfüllt findest, dass Zufall und Glück auszuschließen sind, dann wird dir versichert, dass dein Gefühl kein bloßes Wunschdenken ist es ist etwas Reales.
In ähnlicher Weise habe ich oft während meiner Gebete bemerkt, dass das Gebet erhört wurde, obwohl mir dies nicht durch Offenbarung mitgeteilt wurde, manchmal kommt mir ein Vers des Heiligen Korans in den Sinn, der von dem Problem handelt, dessentwegen ich bete. Dann bin ich überzeugt, dass dies eine Botschaft ist und ich weiß, dass das Gebet Erhörung fand.
Nun schreiben mir aber etliche Leute, von Botschaften die sie glauben, empfangen zu haben. Nichts sei daraufhin geschehen. In meinem Fall geschehen die Dinge in einer Ereigniskette und zwar so, dass es selbst für einen Ungläubigen unmöglich ist, sie als puren Zufall abzutun.
Außerdem, ergänzt der Kalif, empfange er täglich Telefonanrufe aus der ganzen Welt und von allen Sorten von Menschen, die ihn bitten, für sie oder ein Familienmitglied zu beten, gewöhnlich für jemanden, der krank sei. Nachdem er für sie gebetet habe, schicke er ihnen darüber eine kurze Notiz.
„Ab und zu“, erklärt er, „wird ein Fehler gemacht, wenn ein Brief nach meinen Notizen geschrieben wird. Ich notiere üblicherweise: „Ich habe gebetet und hoffe, Gott wird es geschehen machen. “ In der Eile kommt schon mal heraus: „Ich habe gebetet und Gott wird es geschehen machen. “ Nun, in solchen Fällen hat Gott es stets erfüllt. Also war es ein gelenkter Irrtum gewesen. Gott Selbst hatte eingegriffen und die Feder geführt. Gott hatte mein Gebet vernommen und sofort darauf geantwortet. Wir haben von Kindern und Frauen gehört, die genesen sind. Und dies in Fällen, wo die Ärzte die Hoffnung bereits aufgegeben hatten, wo Menschen dem Tode entgegensahen.
Aber es ist nicht nur in Momenten der Hoffnungslosigkeit, dass ich bete oder die Mitglieder der Ahmadiyya Gemeinde dies tun. Wir wenden uns viele Male am Tage an Gott, nicht nur in unseren fünf täglichen Gebeten, sondern in ernsthaften, tiefen persönlichen Gebeten. Wir suchen Seine Hilfe in unserem täglichen Leben, um uns den rechten Pfad zu weisen, wir suchen Seine Hilfe bei allerlei verschiedenen Anlässen, von Hoffnungen für die Zukunft der Menschheit bis hin zur Versorgung mit Wasser, wenn eine Dürre herrscht.
Tägliche Gebete zu Gott sind so sehr Bestandteil unseres Lebens wie es der Sauerstoff für unsere Lungen ist. Wir können weder ohne das eine, noch das andere auskommen – und die Ergebnisse sind für alle greifbar.
Ich erinnere mich, dass in Ghana ein Häuptling die Wahrheit von Ahmadiyyat bei meinen Händen annahm. Er war Christ gewesen. Er wünschte sich sehnsüchtig einen Sohn, aber seine Frau hatte unglücklicherweise bereits zwei Fehlgeburten gehabt. Er bat mich, dafür zu beten, dass er nicht nur einen Sohn bekommt, sondern auch, dass seine Frau am Leben bleiben möge. Jedermann nahm an, dass seine Frau diesmal bei der Geburt sterben würde.
Ich betete sehr inbrünstig für den Häuptling und dessen Frau und schrieb ihm, dass ich sicher sei, dass Gott seine Gebete sowie die meinigen erhören werde. Einige Zeit später empfing ich eine Botschaft, dass die Gebete erhört worden seien – Gott hatte ihnen einen gesunden Sohn geschenkt. “ Und stets bewirke Gott Seine Wunder auf ganz natürliche Weise, betont der Kalif. Er bedürfe nicht der übernatürlichen Phänomene um auszuführen, was Er wünschte. Er habe die Natur erschaffen, also wirke Er auch durch diese Natur.
Als er die Arten erörterte, auf die Gott die Gebete erhört, wies der Kalif darauf hin, dass der Verheißene Messias gesagt hatte, dass es zwei Hauptwege gebe. Der erste sei ähnlich einer Prüfung, wenn selbst die Gebete von Sündern erhört würden, der andere sei, als eine höhere Stufe, wenn der Bittende einer der Auserwählten Gottes sei und Empfänger Göttlicher Gnaden.
Manchmal, so der Kalif, würden Gebete beantwortet, um zu zeigen, dass der Bittende von Gott unterstützt werde und um Ungläubige zu widerlegen. So wurde in Indien eine Neukonvertierte von einer Schlange gebissen und ins Krankenhaus gebracht, wo man ihr noch zwei Stunden zu leben gab. Ihre Verwandten sagten, das sei die Strafe dafür, dass sie Ahmadiyyat angenommen habe. Aber die Mitglieder der Gemeinde begannen, für sie zu beten und sie starb nicht nach Ablauf von zwei Stunden. Die Ärzte sagten, dass dennoch keine Hoffnung wäre. Sie wussten aus Erfahrung, dass jeder in ihrer Lage sterben würde.
Aber sie starb auch nicht nach 24 Stunden. Drei Tage später erwachte sie aus dem Koma. Neun Tage später kehrte sie nach Hause zurück.
Die Ärzte sagten, dies sei der erste Fall der Genesung von einem solchen Schlangenbiss, der ihnen bekanntgeworden wäre.
„Ich denke“, ergänzt der Kalif, „dass Gott dieses Wunder wegen der Gebete der Gemeinde vollbrachte und um diejenigen zu beschämen, die uns so hassten, dass sie behaupteten, der Schlangenbiss sei eine Strafe Gottes gewesen. Auf diese Weise zeigte Er ihnen, dass sie es waren, die gegen Seinen Willen handelten. „
Ebenso gab es in Indien jene, die lachten, als die Ahmadiyya Gemeinde in Kharian noch immer kein Wasser gefunden hatte, obwohl man schon über siebzig Meter tief gebohrt hatte. Die Ahmadiyya Gemeinde hatte ihren Wohnort nach langen Gebeten und der Konsultation von Hydrologen festgelegt. Bis dahin hatte sich der Rat der Wasserkundler – im Auftrag der Regierung – als spektakulär unbrauchbar erwiesen gehabt; sie hatten vier Bohrungen niedergebracht und alle waren entweder trocken geblieben oder man war auf bröckliges Wasser gestoßen.
Es schien, als würden auch die Bohrungen der Ahmadiyya Gemeinde erfolglos bleiben. Dies wäre Gottes Strafe, bescheinigten die Widersacher. Doch bei 75 Metern wurde man fündig. Die Ahmadis trafen auf ein ergiebiges Lager reinen und klaren Wassers. Gott sei ihnen wegen ihrer Gebete zu Hilfe gekommen, sagte die Gemeinde.
Wenn Demut eine der Voraussetzungen dafür ist, dass Gebete erhört werden, würden nur wenige Menschen, selbst unter seinen Widersachern verneinen, dass der Kalif ein demütiger Mann ist. Er lebt einfach und isst sparsam. Es gibt keine augenfälligen Attribute des Wohlstands in seiner Umgebung. Sein Leben ist Gott gewidmet – und der Missionsarbeit der Ahmadiyya Bewegung.
Und wenn die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ebenfalls eine der Voraussetzungen ist für die Annahme des Gebets, so werden sich auch hier nur wenige finden, die in Frage stellen, dass der Kalif die Drangsale der Kranken, der Hungrigen und Verfolgten dieser Welt persönlich empfindet. Für die Verzweifelten, die ihn um seine Gebete ersuchen, betet er ganz persönlich.
Er sagt knapp, dass es besser so sei; die Probleme mancher Menschen seien einfach überwältigend.
Wenn er die Armut und das Elend mancher Menschen in Afrika beschreibt, wird er bisweilen von seinen Gefühlen übermannt. Das Wort bleibt ihm dann im Halse stecken und er steht dann eine Weile reglos, um seine Fassung wiederzugewinnen, während man von denen, die ihm gerade zugehört haben, weiß, dass sie oft zu weinen beginnen, wenn seine Worte ein zu dramatisches Bild erzeugt haben, als dass sie ihre Gefühle beherrschen könnten.
Die Menschen, die er gerade beschrieben hat, mögen weit entfernt leben von dem Platz, an dem er gerade steht, vielleicht in Ländern, von denen seine Zuhörer kaum je gehört haben, aber er kann ihnen die Notwendigkeit ihrer Gebete vermitteln. Ihr Gebet im spirituellen Sinne, aber auch im materiellen, nämlich indem sie Ärzte aussenden und Lehrer und Ingenieure sowie Finanzen, um das Elend an seiner Wurzel zu packen.
Wenn er die Verfolgung der Ahmadiyya Gemeinde in deren Heimatland Pakistan beschreibt, ist er oft von Gefühlen überwältigt. Seine Anhänger beschreiben ihn, als in der Moschee stehend, mit Tränen in den Augen trotz des Versuchs, sie vor den Zuhörern zu verbergen.
Diejenigen, die irgendwo in der Welt verfolgt werden, sind allgegenwärtig in seinen Gedanken, spricht es ein Gläubiger aus.
An der Wirksamkeit des Gebets, dass den Armen, den Einsamen, den Kranken und den Unglücklichen in aller Welt hilft, hegt der Kalif nicht den geringsten Zweifel.
Ian Adamson, Ein Mann Gottes – Das Lebens des Khalifatul-Masih IV, Verlag Der Islam, 2000, S.307-318