Autor: Hadayatullah Hübsch

»Und wenn Meine Diener dich nach Mir fragen, (sprich) Ich bin nahe, Ich antworte dem Gebet des Bittenden, wenn er zu Mir betet.« (Hl. Qur’an 2:187)

Der Name Gottes im Islam lautet Allah. Allah ist ein Eigenname und nicht, wie oft fälschlich behauptet wird, eine Zusammensetzung aus dem arabischen Artikel al (der) und dem arabischen Wort für Gott ilah. Gott ist ein Gattungsbegriff, so wie Mensch oder Tier oder Pflanze. Von Gattungsbegriffen gibt es auch einen Plural. Allah aber hat keinen Plural.
Neben dem Eigennamen Allah spricht Gott im Qur’an über sich in über 100 Bezeichnungen. Zum Beispiel ist Er der Gerechte, der Wahrhaftige, der Liebreiche, der Freund, der stets Verzeihende, der Unabhängige, der Herrscher, der Barmherzige, der Gnadenreiche, der Schöpfer, der Tilger der Sünden, der Unparteiische, das Licht, der Geduldige, der Sprechende, der Heiler, der Einzigartige, der Offenbare, der Verborgene, der Mitleidige, der Führer, der Heilige, der Allerhöchste, der Demütigende, der Große, der Beschützer, der Erhörer der Gebete, der Allweise, der Preiswürdige, der Lebensspendende, der Allmächtige, der weise Richter, der Sich Selbst Genügende, der Leiter auf den rechten Weg, der Geber angemessener Strafe.

Im Qur’an spricht Gott von Sich entweder als Allah oder als Wir oder als Ich oder als Er oder, und dies ist eine Form, die auf einen Aspekt hinweist, der die weibliche Seite betont, als der Gnadenreiche (das Wort Gnade ist im Arabischen wie im Deutschen weiblichen Geschlechts).

Allah sagt über Sich im Qur’an:

»Allah – es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Lebendigen, dem aus Sich Selbst Seienden und Allerhaltenden. Schlummer ergreift Ihn nicht noch Schlaf. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist. Wer ist es, der bei Ihm fürbitten will, es sei denn mit Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen ist und was hinter ihnen; und sie begreifen nichts von Seinem Wissen, außer was Ihm gefällt. Sein Thron umfaßt die Himmel und die Erde; und ihre Erhaltung beschwert Ihn nicht; und Er ist der Erhabene, der Große.« (2:256).

An anderer Stelle heißt es:

»Er ist Allah, außer Dem es keinen Gott gibt, der Wisser des Ungesehenen und des Sichtbaren. Er ist der Gnädige, der Barmherzige. Er ist Allah, außer Dem es keinen Gott gibt, der König, der Heilige, der Eigner des Friedens, der Gewährer von Sicherheit, der Beschützer, der Allmächtige, der Verbesserer, der Majestätische. Hoch erhaben ist Allah über all das, was sie anbeten! Er ist Allah, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter.
Sein sind die schönsten Namen. Alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, preist Ihn, und Er ist der Allmächtige, der Allweise.« (59:23-25)

Allah ist keineswegs, wie immer wieder im Westen zu lesen ist, ein Gott der Ferne oder gar ein Gott der Rache.

Im Qur’an heißt es dazu:

»Wahrlich, Wir erschufen den Menschen, und Wir wissen alles, was sein Fleisch ihm zuflüstert; denn Wir sind ihm näher als die Halsader.« (50:17)

Gott sagt weiter im Qur’an:

»Und wenn Meine Diener dich nach Mir fragen, (sprich) Ich bin nahe, Ich antworte dem Gebet des Bittenden, wenn er zu Mir betet. So sollten sie auf Mich hören und an Mich glauben, auf dass sie den rechten Weg wandeln mögen.« (2:187)

Dass Allah den Gläubigen »nahe« ist und ihre Gebete erhört und beantwortet, ist für den Islam essentiell. Andere außer Gott anzubeten, gilt als die größte Sünde (Schirk). Heilige oder Propheten anzubeten (etwa Maria oder Jesus oder Muhammad), ist für einen Muslimen undenkbar. Für den Muslim ist nur Gott (Allah) Derjenige, Der anbetungswürdig ist. Dieses Prinzip liegt darin gegründet, was als Essenz der Aussage über Gott gilt:

Tauhid – Die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes.

Allah kündet von ihr beispielsweise in der berühmten Sure Ikhlas (112), die wohl von allen Muslimen auswendig gelernt worden ist und die zu den Suren gehört, die am häufigsten während des fünfmal täglichen Ritualgebets (salat oder im türkisch-persisch-pakistanischen Raum namaz genannt) rezitiert werden. Die fünf Verse (ayaat) dieser Sure lauten:

»Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen. Sprich: ‚Er ist Allah, der Einzige; Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt; und keiner ist Ihm gleich.’«

Wesentlich ist auch, dass keines der Attribute Allahs je zu existieren aufhört. Manche Muslime glauben aber, daß mit dem Tode des Propheten Muhammad(SAW) Allah aufgehört habe, Offenbarung (wahy oder ilham) zu den Menschen zu senden. Solche Anhänger des Islams gehen sogar so weit, jene zu Nicht-Muslimen zu erklären, die daran festhalten, dass die Eigenschaft Allahs, Al-Mutakallim, d.h. Der Sprechende zu sein, niemals enden wird und dass Allah heute noch so zu Seinen ausgewählten Dienerinnen und Dienern spricht, wie Er es beispielsweise in der vorislamischen Zeit tat. In vielen Versen des Qur’an legt Allah unmissverständlich fest, daß es Seine Wesensart ist, mit den Menschen zu kommunizieren. So heißt es dort etwa:

»Euer Herr spricht: ‚Betet zu Mir; Ich will eure Gebet beantworten. Die aber, die zu stolz sind, um Mich zu verehren, die werden in die Hölle eintreten, als Erniedrigte.« (40:61)

Und:

»Er ist es, Der Reue annimmt von Seinen Dienern und Sünden vergibt und weiß, was ihr tut. Und Er erhört diejenigen, die gläubig sind und gute Werke üben, und gibt ihnen Mehrung von Seiner Gnadenfülle; den Ungläubigen aber wird strenge Strafe.«

Die Frage mag auftreten, warum Allah diejenigen straft, die »ungläubig« sind. Zunächst muß der Begriff »Unglauben« relativiert werden.

In Sure 2:287 heißt es:

»Allah belastet niemanden über sein Vermögen. Ihm wird, was er verdient, und über ihn kommt, was er gesündigt.«

Unabhängig davon aber, ob jemand dem »rechten Glauben« in welcher Religion auch immer folgt – oder ob der Mensch gar in einem Lebensprinzip seinen Weg geht und bestimmten Ethikvorstellungen gehorcht, ohne direkt an eine Religion gebunden zu sein – gilt den Lehren Allahs zufolge die Grundlage für eine Vorstellung von Gut und Böse, die Allah in die Natur des Menschen gelegt hat, als ausschlaggebend:

»Und bei der Seele und ihrer Vollendung – Er (Allah) gewährte ihr den Sinn für das, was für sie unrecht und was für sie recht ist. Wahrlich, wer sie lauterer werden läßt, der wird Erfolg haben; und wer sie in Verderbnis hinabsinken läßt, der wird zuschanden.« (91:8-11)

Im übrigen lehrt der Qur’an, dass zwischen der Vernunft – dem Denken – des Menschen und dem Glauben eine enge Beziehung besteht:

»Niemandem steht es zu, zu glauben, es sei denn mit Allahs Erlaubnis. Er sendet (Seinen) Zorn über jene, die ihre Vernunft nicht gebrauchen mögen. Sprich: ‚Betrachtet doch, was in den Himmeln und auf der Erde geschieht.‘ Allein Zeichen und Warner nützen nichts bei einem Volk, das nicht glauben will.« (10:101).

Immer wieder heißt es im Qur’an: »Wollen sie denn nicht nachdenken«, oder »wollen sie sich denn nicht besinnen.« Und in unzähligen Beispielen hat Allah im Qur’an dargelegt, was die Gründe dafür sind, an einen einzigen, allmächtigen Schöpfer aller Dinge und Wesen zu glauben; und vor allem die Erfahrung zu machen, dass es diesen Schöpfer gibt, indem Er dazu auffordert, Seine Wahrhaftigkeit zu erleben. Konkret: durch Gebetserhörung, Wahrträume, Visionen und Offenbarungen, die Allah jenen gewährt, die sich bemühen, Seine Gegenwart zu erleben und Sicherheit über die Existenz Gottes zu erlangen – eine Sicherheit, die über alle Zweifel erhaben ist.

Jedenfalls ist die Herausforderung an die Menschen, Erfahrungen mit Allah zu machen, mit Ihm zu kommunizieren, ein wesentlicher, wenn nicht gar der wesentlichste Bestandteil des Qur’ans. Gott im Qur’an beschränkt sich nicht darauf, zu konstatieren und Glauben zu fordern, sondern der Wesenszug des Qur’ans ist das Bemühen, die Menschen durch Beispiele, Zeichen und Beweise von einem Leben mit Gott zu überzeugen. Wer sich um die Nähe Gottes müht, erlangt das, was der Qur’an als Paradies bezeichnet:

»Erfolg fürwahr krönt die Gläubigen, die sich demütigen in ihren Gebeten und die sich fernhalten von allem Eitlen, und die nach Reinheit streben und die ihre Sinnlichkeit im Zaum halten – es sei denn mit ihren Gattinnen oder denen, die ihre Rechte besitzt, denn dann sind sie nicht zu tadeln; die aber darüber hinaus Gelüste tragen, die sind die Übertreter -, und die ihre Treue und ihre Verträge wahren und die streng auf ihre Gebete achten. Das sind die Erben, die das Paradies erben werden. Ewig werden sie darin weilen.« (23:2-11).

Hölle wird als Gottesferne gesehen. Indes ist die Hölle – also die Strafe Gottes, das Er Sich nicht mit jenen beschäftigt, die Ihn ablehnen, nachdem Er ihnen den Weg gewiesen hat – nicht ewig. Sie wird im Qur’an als eine Art Spital beschrieben, wo, wenn es auch eine ewig lange Zeit dauern mag, die Menschen von ihren geistigen und spirituellen Krankheiten geheilt werden. Einmal aber würden die Tore der Hölle im Wind hin- und herflattern, heißt es in einem Hadith, und auch der oder die Letzte daraus entlassen sein. Denn Allah sagt im Qur’an:

»Meine Barmherzigkeit umfaßt jedes Ding.« (7:157)

Quelle: https://www.revuederreligionen.de/wer-ist-allah/